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Die Methode

Kommission verklagt Rat vor dem EuGH auf Einhaltung der Verträge

Eigentlich sollte genau das verhindert werden. Eigentlich sollte mit der Festschreibung einer automatischen Verdienstanpassung für die Beschäftigten der Europäischen Institutionen verhindert werden, dass sich in regelmäßigen Abständen und abhängig von politischen Mehrheiten in nunmehr 27 Mitgliedstaaten der EU die Kommission, der Rat und die Beschäftigten um Gehaltsanpassungen an die Kaufkraftentwicklung streiten und damit möglicherweise den Betrieb in den Institutionen temporär lahmlegen.

Am vergangenen Mittwoch musste nun dennoch der dafür zuständige Kommissar Maroš Šefčovič den Beschäftigten wie schon im vergangenen Jahr mitteilen, dass die Kommission "heute beschlossen [hat], gegen die Weigerung des Rates, die jährliche Anpassung der Gehälter und Pensionen zu verabschieden, Klage beim Gerichtshof einzureichen, da der Rat dadurch das Beamtenstatut verletzt hat."


Die Kommission hatte dem Rat entsprechend der Methode zur Berechnung der Anpassung, die die Kaufkraftentwicklung in 8 ausgewählten Mitgliedstaaten (-1.8%) sowie die Preisentwicklung eines Warenkorbes in Brüssel (+3.6%) berücksichtigt, vorgeschlagen, die Löhne und Gehälter der Bediensteten um 1,7 % anzuheben.
Dem Rat ist diese Methode schon lange ein Dorn im Auge. Er möchte trotz der mit dem Lissabonvertrag erheblich ausgeweiteten Aufgaben der Institutionen kräftig an den Personalausgaben sparen und führt dazu jede Menge mehr oder weniger nachvollziehbare Argumente ins Feld. So heißt, es die Menschen in Europa könnten nicht nachvollziehen, warum trotz Krise und massiver Kürzungen in vielen Mitgliedstaaten die Beschäftigten der EU keinen "Beitrag" zur Entlastung der Haushalte leisten sollten. Regelmäßig wird darüber hinaus behauptet, die Beschäftigten in Brüssel, Luxemburg und Straßburg würden eh zuviel verdienen usw. usf. Dabei verschweigt sowohl der Rat als auch die Medienöffentlichkeit regelmäßig, dass mit der automatischen Methode richtigerweise genau die Faktoren abgebildet werden, die die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst beeinflussen sollten. Die ewig angeführten exzessiven Gehälter der "EU_Bürokratie" betreffen nur einen relativ geringen Teil der weit über 30.000 Beschäftigten. Der übergroße Teil dagegen verdient in den unteren Gehaltsgruppen gerade soviel, dass er sich das Leben in Brüssel leisten kann.

Die Beschäftigten sind dementsprechend froh, die Kommission in diesem Fall als Gralshütering der Verträge auf ihrer Seite zu wissen. Leider ist dem nicht immer so. Erst kürzlich hat die Kommission auf Drängen der Mitgliedstaaten ihre Vorschläge zur Änderung des Beamtenstatuts vorgelegt. Darin enthalten sind Kürzungen des Budgets um 5 Prozent, Streichung diverser Zusatzleistung, eine Anhebung des Rentenalters von 63 auf 65 Jahre und die Ausweitung der Arbeitszeit von 38,5 auf 41 Stunden. Diese Änderungen sind derzeit noch im parlamentarischen Verfahren, ein Konflikt mit den die Beschäftigten vertretenden Gewerkschaften und Personalräten ist vorprogrammiert. Noch kurz vor Weihnachten hatte eine Vollversammlung aller Beschäftigten die Vertretungen mit einem robusten Verhandlungsmandat inklusive massiver Streikandrohungen ausgestattet. Rat, Kommission und Europaparlament müssen sich nun sehr genau überlegen, ob sie sich in Zeiten der Krise des europäischen Projekts und dem daraus sich ergebenden Anspruch an die Beschäftigten der EU eine solche Auseinandersetzung und entsprechende Signale nicht funktionierender Institutionen in die europäische Gesellschaft leisten können.

Dieser Beitrag ist die Langfassung eines Artikels, der unter der Überschrift Klage gegen den Rat am 13. Januar 2012 in der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland erschienen ist.

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