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Operation gelungen - Patient tot. Oder: Wie die italienische Linke sich selbst begrub.

Von Frank Puskarev

Italien hat gewählt. Betrachtet man die Ergebnisse, müssten alle europäischen Kommentator*innen, die nach der deutschen Parlamentswahl Schnappatmung ob der Ausdifferenzierung im Parteienspektrums und der unklaren Mehrheitsverhältnisse samt starkem AfD-Abschneiden bekamen, nun hyperventilierend am Boden liegen.

Denn in der drittstärksten Ökonomie Europas und einem der verbliebenen Sorgenkinder nach der Wirtschafts- und Finanzkrise gewinnen Faschisten und Rechtsextreme mehr als 20 Prozent der Stimmen und liegen noch vor Berlusconis Forza Italia, gewinnt die von vielen „populistisch“ beschimpfte 5-Sterne-Bewegung 32 Prozent und damit noch mal 7 Prozent mehr als bei der letzten Wahl 2013, liegt die sozialdemokratische Partido Demokratico (PD) mit 18 Prozent am Boden und Linke und Kommunisten sind mit 3,5 resp. 1,1 Prozent förmlich atomisiert.





Vor allem die klassische Linke setzt damit den Weg in die Bedeutungslosigkeit fort. Die ehemals starken Kommunistischen Parteien sind auf Splittergruppen geschrumpft. Das Bündnis Potere al Popolo (PaP, Die Macht dem Volk), welche sich aus der kommunistischen Partei, der kommunistischen Partei der Neugründung (Rifundazione), weiteren 7 kleineren Parteien und namhaften Einzelpersonen zusammensetzt, bleibt mit nur 1,1 Prozent deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle. Die Bewegung versuchte, an Erfolge von Momentum in Grossbritannien und France Insoumise in Frankreich anzuknüpfen, hatte Unterstützung von Jean Luc Melenchon, Sahra Wagenknecht und Ken Loach. Wie sich nun zeigt, sind Erfolgsmodelle eben a) doch nicht übertragbar und b) die Wunden der zerstrittenen Vergangenheit der italienischen radikalen Linken und die Enttäuschung der Wähler noch zu groß, um Vertrauen zurück zu gewinnen.



Darunter leidet demnach wohl auch das zweite, deutlich linkssozialdemokratische Bündnis Liberi et Uguali (LeU, Frei und Gleich), welches mit 3,5 Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurück bleibt. In diesem Bündnis trafen sich vor allem der ehem. linke Flügel der PD, die Sinistra Italiana (SI, Italiens Linke) die sich wiederum erst vor kurzem aus grossen Teilen der SEL und anderen formierte hatte.

Damit bricht sich in Italien die Enttäuschung über das politische Establishment, Wut über die desolate Wirtschaftlage und prekäre soziale Situation sowie Verzweiflung ob der verpassten Chancen zur Umkehr seit der Wirtschafts- und Finanzkrise ein weiteres Mal Bahn. Die Jugendarbeitslosigkeit verharrt nur wenig unter den historischen Höchstständen und liegt derzeit bei 31,5 Prozent, insgesamt sind etwa 10 Prozent der Italiener*innen arbeitslos. Statt Investitionen setzte die letzte Regierung lieber rigide Arbeitsmarktreformen durch, vor allem hohe Verbrauchssteuern und Steuern für kleine und mittlere Betriebe werden als grosse Belastungen angesehen. In der Migrationsfrage wurde und wird Italien lange allein gelassen, obwohl hier ca. 78 Prozent aller aus dem nördlichen Afrika ankommenden Flüchtenden zunächst landen, nur wenigen noch die Weiterreise gelingt und dies vor allem Bürger und Kommunen vor nicht lösbare Aufgaben stellt.



Es stehen sich nun also drei in etwa gleich starke Koalitionsblöcke gegenüber, die das Land zunächst unregierbar aussehen lassen. Der 5-Sterne-Bewegung wird nachgesagt, sie wolle eigentlich gar keine Koalitionen. Ein grosse Koalition Mitte-Links-Rechts erscheint ob des starken Abschneidens von Lega und Faschisten ausgeschlossen. Zuletzt zeigte sich 5 Sterne jedoch offen, mit allen Parteien über Zusammenarbeit zu diskutieren. Das sozialdemokratische Mitte-Links-Bündnis schon unter Einschluss der Liberi et Uguali käme auf knappe 30 Prozent, das so genannte Mitte-Rechts-Bündnis auf ca. 37 Prozent. Bei letzterem bleibt allerdings unklar, welche dieser Parteien den Mitte-Part übernehmen, sind doch alle beteiligten Parteien als Rechtspopulisten (Forza Italia), Rechtsextreme (Lega Nord) und klassische Faschisten (Fratelli Italia) bekannt. Einzig die neokonservativen Christdemokraten kämen hier in Betracht, mit einem Stimmanteile von nur 1,3 kann dass allerdings nur als Feigenblatt betrachtet werden.



Der Vorsitzende der 5-Sterne, Luigi die Maio, wird damit zitiert, am liebsten mit der linken Liberi et Uguali koalieren zu wollen, doch scheitere dies an den Prozentzahlen. Eine Koalition mit der Rechten scheint ob des starken Abschneidens der Lega Nord und der faschistischen Fratelli d‘Italia doch eher unwahrscheinlich. Möglich wäre, und zumindest das deutlich weniger radikale Auftreten der 5 Sterne sowie deren Neupositionierung in Sachen EU und Euro - man bleibt EU-kritisch, schliesst aber ein Referendum über den Verbleib im Euro aus und positioniert sich stärker für eine bessere, soziale EU - lässt dies vermuten, ein Angebot an PD und LeU zur Bildung einer Koalition unter Führung Di Maios.

Sollte dies so kommen, wären die Karten für eine Reform der EU neu gemischt. Dem stehen derzeit wohl vor allem die Haltung der 5 Sterne in der Migrationsfrage entgegen. Hier positioniert man sich eher ablehnend, möchte „Illegale“ zurück führen und fordert eine Reform der Dublin-Veträge. Diese Haltung kann nur durchbrochen werden, wenn auf europäischer Ebene Solidarität praktisch wird, also über eine bessere Verteilung der Flüchtenden in der EU und finanzielle und logistische Unterstützung für die betroffenen Regionen. Es liegt also auch an Brüssel, ob Italien demnächst Mitte-Links oder doch von Faschisten regiert wird. Letzteres wäre wohl ein weiterer Sargnagel für ein soziales, liberales und weltoffenes Europa.

Die klassische italienische Partei-Linke scheint dagegen tot. Ob dies auch für die gesellschaftliche Linke gilt, wird massgeblich davon abhängen, wie sich die 5 Sterne nun aufstellen und ob es gelingt, aus den Trümmern der einst grossen Kommunistischen Bewegung mittelfristig etwas neues, stabileres zu formen in den kommenden Jahren der parlamentarischen Abstinenz. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Bildquellen: Arbeitslosenquoten: Statista; Wahlergenisse: italienisches Innenministerium.

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