Mit der Ankündigung seiner Kandidatur hat Dietmar Bartsch ein mittleres Erdbeben in der Partei DIE LINKE ausgelöst. Hektisch werden Erklärungen abgegeben, mal für, mal gegen ihn. Dies war zu erwarten und ist dennoch unverständlich. Noch als Gregor Gysi auf dem Bundesparteitag forderte, entweder zwei Zentristen oder eben zwei Vertreter der jeweiligen gefühlten Lager zu Vorsitzenden zu machen, denen es gelingen könnte, diese zu einen und die Partei auf die Erfolgsspur zurückzuführen, klatschen alle frenetisch Beifall. Nun hat sich ein prominenter Vertreter, der sich viele Verdienste um die Partei erworben hat, zu einer Kandidatur entschlossen und diese mit dem Projekt verbunden, die Partei und ihre Mitgliedschaft wieder stärker in Entscheidungen einzubinden. So what? Ist es nicht zu begrüßen, das die Personalfindung aus den Hinterzimmern heraus in die Partei getragen wird? Ist es nicht ein Zeichen von Stärke und Offenheit, wenn jemand ohne das Ergebnis vorher zu kennen für seine Positionen gerade steht und diese als Möglichkeit der Partei anbietet? Wann wenn nicht jetzt wäre der richtige Zeitpunkt für den Beginn einer Debatte, die Anfang Juni in Göttingen ihren Abschluss finden soll und die in der ganzen Breite der Partei geführt werden soll und muss?
Ich finde, es wäre mehr Ehrlichkeit und Offenheit in dieser Debatte angesagt. Und dazu gehört, die Frage des Mitgliederentscheides von der Kandidatur Dietmar Bartschs zu trennen und ihm nicht darüber unlautere Mittel vorzuwerfen. Der Mitgliederentscheid wurde vom Vorsitzenden Klaus Ernst gefordert, von allen Seiten erfuhr dieser Vorschlag Zustimmung, bei den amtierenden Vorsitzenden wurde immer wieder betont, dass ihre starke Legitimität auch aus dem Mitgliederentscheid zur Struktur der Parteiführung erwuchs, "die natürlich auch mit den Personen verbunden war", wie mir mehrfach entgegnet wurde. Gerade weil in einer solch wichtigen Frage wie der der wichtigsten Repräsentanten der Partei eben nicht in Hinterzimmern ausgekungelt und auf dem Parteitag nur noch abgenickt werden darf, sondern alle und jeder in der Partei die Möglichkeit haben muss, sich von den Kandidatinnen und Kandidaten ein Bild zu machen und deren Wirkung in der Öffentlichkeit zu erleben, müssen nun Regionalkonferenzen geplant und zur Vorbereitung eines Mitliederentscheides durchgeführt werden. Die instrumentelle Behandlung von Elementen part(e)izipativer direkter Demokratie zur Förderung oder Verhinderung von Kandidatinnen und Kandidaten muss beendet werden, sonst macht sich die LINKE an zentraler Stelle selbst unglaubwürdig.
Gegner Bartschs sind nun aufgefordert, ihrerseits entweder eine geeignete Alternative zu ihm anzubieten oder aber einen Konterpart nach dem von Gysi vorgeschlagenen Modell zu präsentieren. Lamentieren gilt nicht, die Debatten müssen geführt werden, und zwar offen und ehrlich. Dietmar Bartsch hat seine Ansichten vorgelegt, diese gilt es zu diskutieren und weitere müssen folgen. Schon vor diesem Hintergund ist seine Kandidatur zu begrüßen, eröffnet er doch damit auch die Möglichkeit, sich an dieser Frage über die Ausgestaltung der programmatischen Grundlagen zu verständigen. Es könnte der LINKEN gelingen, mit dieser Debatte ein neues Kapitel aufzuschlagen, aus den Schützengräben heraus zu kommen und die Partei und ihre Positionen mit Leben zu füllen und nach vorne zu entwickeln. Lassen wir die Gelegenheit nicht verstreichen.
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