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LINKE Parteitag in Magdeburg - mein Reden...

Meine Rede in der Generaldebatte am Samstag, die Bewerbungsrede folgt weiter unten:





Nossinnen und Nossen,

Dietmar, Bernd und Katja haben es gerade gesagt: bei uns werden Auseinandersetzungen politisch und in der Sache geführt, und damit möchte ich auch sofort anfangen. Unser saarländische Fraktionschef Oskar - ich hoffe er hört am Fernseher zu, den Debatten hier stellt er sich ja schon länger nicht mehr - verteidigt im FAZ Interview 3.12.16 vehement den 93er Asylkompromiss.

Ehrlich gesagt ist das ein Schlag ins Gesicht all jener, die seit den frühen Neunzigern, in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und anderswo Flagge gezeigt haben gegen Rassismus und Fremdenhass. Dieser Asylkompromiss kann getrost als Türöffner für Pegida und AfD betrachtet werden, schließlich muss man spätestens seit 93 nur laut und hässlich genug grölen und ein paar Unterkünfte anzünden, dann rückt die Politik nach rechts.

Im Spiegel wird uns dann von Oskar mitgeteilt, dass "Die Forderung nach "offenen Grenzen für alle" im Parteiprogramm der Linken "eine Formulierung sei, die vertretbar war, solange wir die Flüchtlingsströme nicht hatten". Wir sind aber nicht die SPD und rollen unsere Fahnen eben nicht ausgerechnet dann ein, wenns ernst wird. 

Wir haben 20000 Mitglieder seit 2009 verloren. Der PV beschließt zum xten Mal, dass wir uns um neue Mitglieder kümmern und bemühen wollen. Der eine oder die andere meint nicht zu wissen, ob wir überhaupt Fehler gemacht haben. Ich hätte da zumindest ein paar Ideen, woran wir noch arbeiten können: 

Der sogenannter Debatten-Parteitag in Bielefeld endet als eine Show - die üblichen der die Parteinomenklatura schlagen sich die Textbausteine der letzten 10 Jahre um die Ohren und am Ende geschieht ... Nichts. Ganze 6 BasisgenossInnen kommen zu Wort. Wozu das Ganze, wenn der PV selbst jetzt nicht der Meinung ist, dass bis zum Ende des Jahrzehnts, also bis Ende 2019, eine Entscheidung diesbezüglich möglich ist? Wir sind eine Partei, GenossInnen, von uns erwartet man Entscheidungen und zukunftsweisende Vorschläge zur Gestaltung der Gesellschaft! 

Oder unsere Woche der Zukunft - die den Teilnehmenden durchaus gefetzt hat, keine Frage - aber: 81 VA an 4 Tagen mit durchschnittlich 12,5 TN pro Veranstaltung und einem Sammelsurium an Dingen und Sachen - ohne Konsequenzen. Übersetzt: schön das wir drüber gesprochen haben, für nen sechsstelligen Betrag. Was ist da der Mehrwert? Warum können wir uns nicht auf zwei oder drei aufregende, mutige Themenstränge konzentrieren und damit wirklich etwas zur Weiterentwicklung linker Debatten beitragen? 

Unsere "Kampagne" war richtig, als wir sie beschlossen haben. Nach mehr als einem Jahr allerdings und bei aller Anstrengung: genau null Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Und niemand hinterfragt warum, was man anders oder lieber garnicht machen sollte. Ob es in der Gesellschaft vielleicht gerade andere Debatten gibt oder man diese Thema nicht vllt doch irgendwie anders anpacken müsste. Ein bissl mehr Mut und Reflexion wäre da ganz angebracht. Die Genossinnen in den Kreisen ächzen doch so schon ob der vielen Willkommens- und Anti-Naziaktionen. Wir sind doch an vielen Stellen in dieser Gesellschaft verankert und nehmen Aufgaben wahr. 

Es liegt mir fern, diejenigen zu verletzen, die sich da mit Herzblut einbringen. Aber man muss die Sinnhaftigkeit  solcher "Dauer-Kampagnen" schon im Gesamtkontext politischer Entwicklungen betrachten und ggf auch in deren Licht mal neu bewerten. Manchmal will sich die politische Großwetterlage nämlich ums Verrecken nicht an unsere Beschlüsse halten. 

Über der Partei liegt ein Mehltau, der alle echten Debatten im Keim erstickt. Bloß nicht auffällig sein, sonst gibt's nen Eintrag ins Muttiheft. Sexy, Attraktiv, Glitzer, mutig und lebendig - oder von mir aus auch soziale Revolution ist wirklich anders, liebe Genossinnen und Genossen.

Vielen Dank. 


Meine Bewerbungsrede am Sonntag klang dann so: 


Inhaltlich bewegt sich seit 2007 nix, auf keiner diskutablen Positionen. Europa, Grundeinkommen, Außenpolitik, Gesellschaft 4.0. Wir liefern uns doch bestenfalls Stellungsscharmützel!

Und immer wieder Formelkompromisse statt breiter solidarischer und sachlicher Debatte - mit Entscheidungen! Die Themen werden landauf landab von allen diskutiert  -  nur nicht von uns.

Ein kohärentes, verständliches und mit den Menschen vor Ort diskutiertes Integrationskonzept, tiefergehende Auseinandersetzung mit Arbeit und Industrie 4.0 zum Beispiel. Wir sind noch lange nicht so aufgestellt wie es sein sollte. So kann das nicht bleiben, da müssen wir ran, liebe GuGs.

Wir brauchen eine Plattform, einen Campus zur Reform unserer Strukturen UND zur Weiterentwicklung inhaltlicher Schwerpunkte der Linken. Nur mit einer breiten und attraktiven Debatte nehmen wir nämlich auch noch die letzten GenossIn, die Menschen in Europa mit auf diesem Weg. 

Dies gilt ganz besonders für die Vorbereitungen der kommenden Bundestagswahl. WENN wir dort erfolgreich sein wollen, müssen wir den Menschen da draußen ein attraktives und modernes Gesellschaftsangebot machen. Da reicht es eben nicht, den Sozialstaat vergangener Tage zurückzufordern. 

Wenn Kommissar Öttinger landauf landab kundtut, dass mit Arbeit und Gesellschaft 4.0 künftig nur noch 30 Prozent der heute Beschäftigten in höher qualifizierten Berufen gebraucht werden, weitere 30 sich mit Niedriglöhnen zufrieden geben sollen und der Rest einfach abgeschrieben wird, dann müssen wir dem doch etwas entgegen zu setzen haben. Einfache Umverteilungsdebatte reicht da nicht. 

Führen wir also eine Debatte darüber, wie WIR soziale Grundrechte in der Europäischen Union sicherstellen wollen. Und im Dezember teilen wir das dann zahlreich, also saft- und kraftvoll der Kommission in Brüssel mit. Hier liegt die Möglichkeit, wirklich beteiligungsorientiert mit den Menschen Europa zu gestalten. Hier kann die Linke tatsächlich einen Beitrag leisten, nehmen wir doch diese Herausforderung an! 

Ein "Wir haben verstanden" ist mehr als angebracht und muss dann aber auch in realen Veränderungen in der Partei seinen Ausdruck finden. 

Mehr Mut, mehr Debatte, nach vorne weisende und manchmal eben auch Kontroverse Vorschläge zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen. So kanns was werden, und zwar nur so... 

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