Direkt zum Hauptbereich
Niederlande rückt nach rechts

Premier Rutte kommt mit einem blauen Auge davon - Wilders bleibt weit hinter den bisweilen beängstigenden Umfragen zurück - Sozialdemokraten brechen ein - GroenLinks verdreifacht Ergebnis

Das Aufatmen nach den ersten Hochrechnungen war groß, der Schock blieb aus. Der rechtsradikale Geert Wilders mit seiner Ein-Mann-Partei PVV konnte die prophezeiten Umfrageergebnisse am Ende nicht in Wählerstimmen umsetzen. Dennoch bleibt diese Erkenntnis eingetrübt. Mit 13,1 Prozent und voraussichtlich 20 Mandaten hat er mit seiner widerwärtigen Stimmungsmache gegen alles „Fremde“ 5 Mandate hinzu gewinnen können.

Die rechtsliberale Partei VVD des Regierenden Premiers Mark Rutte büßte mit 21,3 Prozent rund 5 Prozent der Stimmen ein und verlor 8 Mandate, bleibt aber weiter stärkste in der zweiten Kammer des Niederländischen Parlaments. Rutte hatte im Vorfeld der Wahlen einen deutlich an Wilders angelehnten Tonfall angeschlagen und die gesellschaftliche Spaltung in den Niederlanden damit befördert.



Insgesamt haben fast alle rechten Parteien in den Niederlanden deutlich hinzugewonnen. Auch wenn niemand mit Wilders koalieren möchte, so haben doch die rechtsliberale VVD, die rechtskonservativen CDA und CU sowie Wilders rechtsradikale PVV eine Mehrheit im Parlament. Nähme man noch die antieuropäische FvD (2 Sitze), die tendenziell rechte Seniorenpartei 50+, die radikalkonservative SGP und andere Kleinparteien hinzu, dürfte sich die ideologisch rechte Mehrheit im Parlament auf 65 Prozent aufsummieren. Die historisch linksliberale Niederlande gehören damit endgültig der Vergangenheit an.

Die Regierungsbildung dürfte sich schwierig und langwierig gestalten, braucht es doch ob der Zersplitterung der zweiten Kammer mindestens 4 Parteien, um eine stabile Koalition zu bilden. Premier Rutte steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe.

Ausdruck dieses Schwenks ist sicher auch der Eindruch der sozialdemokratischen PvdA. Der in den Umfragen schon angedeutete historische Einbruch auf von vormals 24,9 auf nur noch 5,7 Prozent kommt einen politischen Erdbeben gleich. Mit dem Verlust von 29 Sitzen verkommt die Sozialdemokratie damit fast zu einer Splitterpartei. Dies scheint die Rechnung dafür, dass die Partei unter Führung von Lodewijk Aaascher in der vergangenen Legsilatur entgegen ihres Wahlversprechens eine Koalition mit der rechtsliberalen VVD einging und seither verantwortlich zeichnet für Rentenkürzungen, zunehmende Fragmentierung und Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt und Sozialkürzungen. Ob sich die Partei davon wieder erholen kann oder das Schicksal der griechischen PASOK teilt, zunächst im politischen Nirvana zu verschwinden, wird massgeblich davon abhängen, ob ihr ein glaubwürdiger Personal- und Politikwechsel gelingt.

Anlass zu verhaltener Freude ob der ansonsten desaströsen Entwicklungen bieten die Parteien links der Sozialdemokratie. Die sozialistische SP (GUE/NGL) konnte ihr Ergebnis der letzten Wahlen weitgehend verteidigen und kommt auf 9,2 Prozent (-0,5) und nun 14 Sitze (-1). Es gelang der SP, in 10 Wahlkreisen sogar stärkste Kraft zu werden. Die linke Tierschutzpartei PvdD (GUE/NGL) konnte ihr Ergebnis auf 3,1 Prozent (+ 1,2) verbessern und hat nun 5 Sitze (+3). Die große Überraschung ist bleibt Groenlinks (Greens/EFA), welche sich von 2,3 auf 8,9 Prozent verbesserte und damit ebenfalls 14 Mandate bekommt (+10). Auch die linksliberale D66 konnte sich deutlich von 8,0 auf 12 Prozent verbessern und sitzt nun mit 19 (+7) Mandaten im Parlament. Damit konnte vor allem jene progressiven Parteien vom Einbruch der Sozialdemokratie profitieren, die sich explizit proeuropäisch aufstellten.

Insgesamt haben sich damit die Niederländer*innen zwar gefühlt mehrheitlich für die Europäische Union entschieden, aber eben nicht für eine progressive linke Politik. Dies sollte trübt die Freude über die Erfolge der linken Parteien deutlich. Das Aufatmen über die vermeintliche Niederlage Wilders dürfte also nur von kurzer Dauer sein.








Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Operation gelungen - Patient tot. Oder: Wie die italienische Linke sich selbst begrub.

Von Frank Puskarev Italien hat gewählt. Betrachtet man die Ergebnisse, müssten alle europäischen Kommentator*innen, die nach der deutschen Parlamentswahl Schnappatmung ob der Ausdifferenzierung im Parteienspektrums und der unklaren Mehrheitsverhältnisse samt starkem AfD-Abschneiden bekamen, nun hyperventilierend am Boden liegen. Denn in der drittstärksten Ökonomie Europas und einem der verbliebenen Sorgenkinder nach der Wirtschafts- und Finanzkrise gewinnen Faschisten und Rechtsextreme mehr als 20 Prozent der Stimmen und liegen noch vor Berlusconis Forza Italia, gewinnt die von vielen „populistisch“ beschimpfte 5-Sterne-Bewegung 32 Prozent und damit noch mal 7 Prozent mehr als bei der letzten Wahl 2013, liegt die sozialdemokratische Partido Demokratico (PD) mit 18 Prozent am Boden und Linke und Kommunisten sind mit 3,5 resp. 1,1 Prozent förmlich atomisiert.

Soziales Europa scheibchenweise?

Von Thomas Händel und Frank Puskarev Noch etwa 12 Monate sind es bis zur nächsten Europawahl. Zeit für einen ersten Blick auf die dann vergangene Legislatur. Was wurde erreicht? Hat die Kommission ihre Versprechen in Sachen soziales Europa eingelöst? Ist das genug oder wird nur ein wenig sozialer Zucker auf eine an sich und in sich neoliberale Architektur gepudert? Wie steht es um Armutsbekämpfung, Arbeitslosigkeit, die Angleichung der Lebensverhältnisse? Wir wollen dies beleuchten, sehen, ob Möglichkeiten genutzt oder Chancen verschwendet wurden.

Krachende Niederlage für die radikale Linke in Portugal

Bei den Wahlen am vergangenen Sonntag in Portugal musste die radikale Linke eine krachende Niederlage einstecken. Sowohl das kommunistisch-grüne Parteienbündnis CDU unter Führung der PCP als auch die progressive Linke im Bloco de Esquerda mussten deutliche Verluste hinnehmen. Die PCP verlor 1,9 Prozent und kam auf 4,4 und 6 Abgeordnete, BE verlor sogar 5 Prozent und kam mit 4,5 Prozent noch auf 5 Abgeordnete. Für die Überraschung des Abends sorgten die Sozialist:innen der PS unter Antonio Costa, der sich mit fast 41,7 Prozent und 117 Abgeordneten die absolute Mehrheit sicherte. In den Umfragen war zuvor noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Sozialist:innen und einem Bündnis aus der Konservativen PSD und den rechtsextremen Chega vorhergesagt worden. Letztere haben Besorgnis erregende 7,1 Prozent erreicht, eine Verbesserung um fast 6 Prozent, und sitzen nun mit 12 Abgeordneten im Parlament. Das ist in sofern beachtenswert, als dass Portugal bisher als einziges Land im Mittelmeer-Rau...