Direkt zum Hauptbereich

Ende der Demokratie

Habemus Papademos - so hieß es letzte Woche in Athen. Der griechische Ministerpräsident Papandreou, der es gewagt hatte auf die Idee zu kommen, das griechische Volk nach seiner Meinung zu den auferlegten Sparpaketen befragen zu wollen, wurde von den europäischen Staats- und Regierungschefs sowie den Finanzmärkten "abgewählt". Neuer Chef an der Ägäis wird nun der ehemalige Vizepräsident der EZB Papademos.

Ein ähnliches Bild bietet sich in Rom, auch wenn der Vergleich Berlusconis mit Papandreou mehr als nur hinkt und bitte nicht als Beleidigung des ehem. griechischen Premiers angesehen werden sollte. Hier der rechtssozialdemokratische Papandreou, der sich mit der Lösung der von den Konservativen in 10 Regierungsjahren versaubeutelten Politik und dem griechischen Politikerfilz überhoben hat, auch weil er dem selbst angehört. Dort der postdemokratische Berlusconi, skandalumwittert und bekannt für seine Bungabunga-Eskapaden, kriminelle Energie und Gleichschaltung der öffentlichen Medienlandschaft in Italien. Nun soll der ehemalige italienische EU-Kommissar Mario Monti eine Regierung aus Wirtschaftsprofessoren und Bankern führen. Das klingt nicht nur absurd, das ist es auch.


Das Verfahren scheint jedes Mal gleich: Die Finanzmärkte sind mit der Politik eines Landes nicht zufrieden, es wird nicht in ihrem Sinne regiert. Also wird es mit steigenden Zinsen für seine Staatsanleihen "bestraft", und zwar solange, bis es seine Schulden nicht mehr oder zumindest fast nicht mehr begleichen kann. Dann treten Merkel und Sarkozy aus Angst vor dem gleichen Schicksal auf den Plan und verordnen, gemeinsam mit EU-Kommission und IWF, den Schuldensündern Radikalkuren im Sinne neoliberaler Austeritätspolitik. Und zur Umsetzung eben dieser werden dann technokratische "Experten", also diejenigen geholt, die die Misere zu verantworten haben.

Anstelle also das Primat der Politik über die Wirtschaft und die Finanzmärkte wieder herzustellen, lässt man diese in Griechenland und Italien ab sofort einfach gleich regieren. Es klingt pervers, ist aber immerhin ehrlich. Keine vorgeschobenen und gekauften Politiker mehr, nein, auf die verzichtet man einfach. Die Parlamente schlucken nur noch die Medikamente, die ihnen in Berlin und Brüssel verordnet werden. Das diese Medikamente schon früher nicht geholfen haben, scheint niemanden zu stören. Maggie Thatcher hätte ihre große Freude, TINA (There is no alternative) is back.

Dies scheint das vorläufige Ende der Demokratie in Europa. Und doch gibt es Hoffnung. Die Menschen in Griechenland werden sich weiter gegen die Sparprogramme wehren, die Italiener werden sehr schnell aus dem Freudentaumel über Berlusconis Abgang zurückfinden in die Realität und sich gegen die auferlegte Selbstkasteiung erheben. Es ist an der Zeit, das die Linke in Europa erwacht und der sich abzeichnende Wille zur Veränderung der europäischen Fundamente und zur Erneuerung der Demokratie in Europa genutzt wird. Ich meine es ist an der Zeit, eine europäische Verfassung nicht nur zu fordern, sondern unsere konkreten Vorschläge dazu zu formulieren, zu diskutieren und sie den Menschen als Alternative anzubieten. Wann wenn nicht jetzt ist der richtige Moment dafür?

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Operation gelungen - Patient tot. Oder: Wie die italienische Linke sich selbst begrub.

Von Frank Puskarev Italien hat gewählt. Betrachtet man die Ergebnisse, müssten alle europäischen Kommentator*innen, die nach der deutschen Parlamentswahl Schnappatmung ob der Ausdifferenzierung im Parteienspektrums und der unklaren Mehrheitsverhältnisse samt starkem AfD-Abschneiden bekamen, nun hyperventilierend am Boden liegen. Denn in der drittstärksten Ökonomie Europas und einem der verbliebenen Sorgenkinder nach der Wirtschafts- und Finanzkrise gewinnen Faschisten und Rechtsextreme mehr als 20 Prozent der Stimmen und liegen noch vor Berlusconis Forza Italia, gewinnt die von vielen „populistisch“ beschimpfte 5-Sterne-Bewegung 32 Prozent und damit noch mal 7 Prozent mehr als bei der letzten Wahl 2013, liegt die sozialdemokratische Partido Demokratico (PD) mit 18 Prozent am Boden und Linke und Kommunisten sind mit 3,5 resp. 1,1 Prozent förmlich atomisiert.

Und plötzlich ist die Hoffnung weg

Es war irgendwann zu Beginn des Jahres 2007. Die Gründung der LINKEN war beschlossene Sache, auch die Jugendverbände sollten und wollten sich zusammenraufen, gründeten Verhandlungsgruppen, um der Partei wenigstens einmal geschlossen gegenüber treten zu können. Ich durfte einer dieser angehören, damals für die WASG. Mangels eigener Jugendstruktur wurden wir vom Vorstand beauftragt, den Prozess zu gestalten, zu vermitteln zwischen Linksjugend und Solid. Also jenen Jugendverbänden, die sich in der PDS über Jahre spinnefeind wurden. Wir sollten die künftige Satzung verhandeln, hier habe ich Dich das erste Mal getroffen. Einprägsam, wie mir heute schmerzhaft wieder auffiel. Ganze dreimal standst du als Vertreter der Linksjugend auf, packtest demonstrativ deine Sachen und wolltest den Verhandlungstisch verlassen, in dieser ersten kurzen Verhandlungsrunde. Geschick in Sachen Strategie und Taktik, diese Chuzpe hinterließ einen bleibenden Eindruck. Der Typ hatte es drauf, ich war, wenn auch

Europäische Mindestlöhne oder Potemkinsche Dörfer?

Von Frank Puskarev und Thomas Händel In ihrer Bewerbungsrede am 27.11.2019 zur Wahl der Präsidentin der Europäischen Kommission hatte Ursula Von der Leyen angekündigt „Den Menschen geht es um Gerechtigkeit und Gleichheit in jedem Sinne des Wortes. Deshalb habe ich Nicolas Schmit (den Beschäftigungskommissar; d.Verf.) damit beauftragt, unsere europäische Säule sozialer Rechte umzusetzen und Armut, angefangen bei der Kinderarmut, zu bekämpfen. Er wird einen Rechtsrahmen vorlegen, der sicherstellt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer in unserer Union einen gerechten Mindestlohn erhält.“ Man war überrascht! Sollte es trotz schwieriger Mehrheitsverhältnissen in Europa dennoch möglich sein, in diesem Europa noch sozialpolitische Fortschritte zu erzielen? Nun liegt der Entwurf dieser Richtlinie auf dem Tisch und enttäuscht nahezu auf ganzer Linie. Er gleicht eher dem berühmten „Potemkinsches Dorf“. Als Potemkinsches Dorf wird Vorgetäuschtes bzw. die „Vorspiegelung falscher Tatsach